21.03.2018
Nico Pointner, dpa

Warum Rüstungsprojekte aus dem Ruder laufen

Teurer, später, schlechter - im Beschaffungsdschungel der Bundeswehr geht es langsam voran. Die nächsten Jahre werden zur Nagelprobe für Verteidigungsministerin von der Leyen.

Berlin - Irgendwie läuft es bei der Beschaffung von Panzern und Kampfflugzeugen ein wenig wie mit prestigeträchtigen Bauvorhaben in Deutschland. Projekte verzögern sich um Jahre, Kosten explodieren - und am Ende bekommt der Auftraggeber weit weniger, als er ursprünglich wollte. «Das Verteidigungsministerium ist zu einem Fass ohne Boden geworden und erinnert immer mehr an den Berliner Flughafen BER. Auch dort geht es nur bei den Kosten voran», kritisiert der Linken-Verteidigungspolitiker Matthias Höhn.

Dabei wollte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) alles anders machen. Die Reform des Rüstungssektors gehörte zu ihren wichtigsten Vorhaben in den vergangenen Jahren. Sie verkündete 2014 die «Agenda Rüstung», um das Beschaffungswesen effizienter und transparenter zu machen. Von der Leyen holte sich die Unternehmensberaterin Katrin Suder ins Haus und externe Berater in das Koblenzer Beschaffungsamt. Und die Ministerin lässt regelmäßig Rüstungsberichte veröffentlichen, um haarklein und transparent aufzulisten, was alles teurer wird und länger dauert.

Nun stellte das Ministerium den ersten Rüstungsbericht ihrer zweiten Amtszeit ins Netz. Die Bilanz: In die Rüstung fließt so viel Geld wie seit Jahren nicht mehr - aber weiter verzögern und verteuern sich große Projekte. Der Eurofighter wird unter anderem wegen des Mangels an Bauteilen 6,7 Milliarden Euro teurer als dem Parlament ursprünglich zugesagt, zudem kommt er mehr als zwölf Jahre später. Das Transportflugzeug A400M wird 1,5 Milliarden Euro teurer und mehr als elf Jahre zu spät geliefert. Die «hohlen Strukturen» müssten dringend gefüllt werden, heißt es in dem 160-seitigen Bericht.

Nicht zuletzt wegen problematischer Rüstungsprojekte gilt der Posten des Verteidigungsministers als Schleudersitz. Die Affäre um die Skandal-Drohne «Euro Hawk» kostete Thomas de Maizière (CDU) einst fast das Amt - und den Steuerzahler 600 Millionen Euro.

Die nächste Legislaturperiode wird für von der Leyen zur Nagelprobe. Zwar zeichnet sie für vertragliche Altlasten wie das Pannenflugzeug A400M nur bedingt verantwortlich, aber nun sollen milliardenschwere Projekte auf den Weg gebracht werden, die nur mit ihrem Namen verbunden sind - etwa das mehrere Milliarden Euro teure Raketenabwehrsystem Meads. Dieses Verfahren ist bereits verzögert. Zudem muss von der Leyen künftig auf eine ihre wichtigsten Vertrauten verzichten: Suder verlässt das Verteidigungsministerium.

Im Allgemeinen sind die Probleme großer Rüstungsprojekte vielschichtig. Ein Ordnungsversuch:

DIE BÜROKRATIE DER BESCHAFFER: In Koblenz sitzen die Einkäufer der Truppe - in dem Amt mit der ungelenken Bezeichnung BAAINBw (Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr). Die Behörde steht seit Jahren in der Kritik. Der Apparat sei schwerfällig, die Beschaffung zu bürokratisch. Die Beschaffer haben außerdem Personalprobleme. Von rund 11000 Dienstposten der Behörde sind 1500 nicht besetzt. Union und SPD haben vereinbart, bis Ende 2019 die Organisation des Beschaffungswesens zu untersuchen.

DIE ZÄHEN VERHANDLUNGEN: Die Rüstungsverträge der Vergangenheit waren häufig zu sehr auf die Rüstungsindustrie zugeschnitten. Die Beamten im Beschaffungsamt saßen großen Konzernen mit Heerscharen von Juristen gegenüber. Von der Leyen will die Bundeswehr nun stärker absichern gegen Vertragsrisiken, bessere Verträge aushandeln, auf Garantien und Gewährleistungen pochen. Doch je härter das Ministerium verhandelt, desto länger lassen die Verträge auch auf sich warten. So sollte die Ausschreibung für die Nachfolge des G36-Sturmgewehrs schon 2016 erfolgen - erst im April 2017 begann das Vergabeverfahren.

DIE KOMPLEXITÄT DER PROJEKTE: Ein Kampfhubschrauber lässt sich nicht im Baumarkt um die Ecke kaufen. Die Entwicklung neuer Waffensysteme ist technisches Neuland. Panzer, Flugzeuge, Drohnen können nur von wenigen Firmen überhaupt gebaut werden - oft ist die Bundeswehr abhängig von den Monopolisten. Das gilt auch für die Versorgung mit Ersatzteilen. Wegen des jahrzehntelangen Sparkurses sind die Lager bei der Bundeswehr häufig leer, die Nachproduktion von Ersatzteilen dauert Jahre - und die Panzer bleiben in der Werkstatt.

VIELE KÖCHE: In den komplexen Verfahren mischen viele Parteien mit unterschiedlichen Interessen mit. Die Militärs haben äußerst hohe Anforderungen an die Geräte, die Unternehmen tendieren bei der Vergabe zu großzügigen Versprechungen und unterbieten sich beim Preis mit Angeboten. Es geht bei Entscheidungen auch nicht immer nur um militärische Anforderungen, sondern auch um Industriepolitik und Arbeitsplätze. Noch komplizierter werden Rüstungsprojekte, wenn mehrere Länder beteiligt sind.

JURISTISCHE BLOCKADEN: Auch wenn die Bundeswehr am Ende häufig Recht bekommt - unterlegene Bieter verzögern mit Rügen und Beschwerden im Vergabeverfahren immer wieder Mammutprojekte. So blockierte ein US-Unternehmen vergangenen Sommer etwa die Anmietung israelischer Kampfdrohnen mit einem Einspruch beim Kartellamt und einer erfolglosen Klage vor Gericht. Am Ende scheiterte der milliardenschwere Deal aber am Widerstand der SPD.

DIE LANGEN ZEITSPANNEN: Der Vorlauf bei der Panzer-Bestellung ist länger als beim Kleinwagen. Große Beschaffungsprojekte überdauern von der Skizze bis zur Auslieferung meist die Amtszeiten mehrerer Minister. Die Bundeswehrplaner müssen sich bei Projektbeginn für eine Kriegstechnologie entscheiden, die ihnen erst zehn oder 20 Jahre später zur Verfügung steht. Im Entwicklungsprozess kommt es dann immer wieder zu Anpassungen und Nachbesserungen. Gut für Verteidigungsminister: Sie können die Verantwortung für Ausrüstungsmängel stets elegant auf ihre Vorgänger schieben.